Genährt werden. Frieden. Sanftheit. Weichheit. Verletzlichkeit. Weiblichkeit. Sicherheit. Offenheit. Nähe. Begegnung.
Das sind die Worte, mit denen ich den 1. Begegnungsraum (ein Workshop, den ich noch vor der Corona-Zwangspause geben konnte) überschreiben würde. In einem berührendem kurzem Sharing (Austausch) am Ende schaue ich in weiche, offene, friedliche und verletzliche Gesichter. Die meisten der Teilnehmerinnen sind in eine gute innere Stille gelangt und möchten gar nicht mehr viel sprechen und teilen. Und das ist schön und stimmig auch für mich.
Und wir sind wir dort gelandet?
Zu Beginn gebe ich einen relativ kurzen theoretischen Input zum Begegnungsraum. Was das Anliegen, die Motivation und auch, was der Begegnungsraum für jede einzelne Frau hier sein kann. Ein Raum der Heilung, in dem in einem sicheren Rahmen mehr Verbindung zu dir selbst und zu anderen entstehen kann.
Es sind 9 Frauen und 1 Mann dabei, wodurch sich eine deutlich weibliche Energie im Raum nach und nach aufbaut. Wir beginnen mit ganz praktischen Begegnungsübungen. Ein entspanntes im Raum laufen, den anderen Menschen zunicken, in die Augen schauen und doch auf dem eigenen Weg im Raum bleiben. Die Teilnehmer fanden sich dann zu zweit zusammen und tauschten sich kurz darüber aus, warum sie heute hier im Begegnungsraum sind und was das Geschenk für sie am Ende des Workshops wäre, also was sie gerne als Erfahrung mit nach Hause mitnehmen möchten.
Übung: Mit deiner Selbstliebe und einem anderen Menschen in Kontakt gehen
Die nächste Übung führt bereits tiefer. Jeweils zwei TeilnehmerInnen stehen sich gegenüber und gehen zunächst mit sich selbst und dem eigenen Herzraum in Kontakt. Dafür leite ich die Übung an:
"Spüre dich selbst, in deinem Körper, den Kontakt deiner Füße mit dem Körper. Atme bewusst ein paar Mal tief ein und aus. Spüre jetzt deinen Herzraum, lege eine Hand auf dein Herz, spüre deinen Herz schlagen. Erinnere dich an eine Situation, in der du ein tiefes Gefühl der Zuneigung, des Wohlwollens, des Mitgefühls oder der Liebe für einen anderen Menschen, vielleicht für ein Kind, für ein Haustier oder für das Leben empfunden hast. Und lasse dieses Gefühl in dir aufsteigen. Schenke dir nun selbst dieses Gefühl, dieses Wohlwollen, dieses Mitgefühl oder die Liebe. Lasse sich dieses Gefühl ganz in dir ausbreiten.
Und öffne jetzt deine Augen und schaue deinem Gegenüber in die Augen. Schaue, was es mit dir macht, in deiner Liebe zu dir selbst einem anderen Menschen zu begegnen, über den Augenkontakt. Alles, was sich jetzt zeigt, ist vollkommen in Ordnung. Alles darf da sein. Spüre für dich, wie es sich anfühlt, einem anderen Menschen nah zu sein, wie es sich verändert, wie vielleicht Unbehagen auftaucht oder ein eintauchen in diesen Kontakt. Und erinnere dich, dass dieser Mensch dir gegenüber auch ein Mensch ist, der auf seinem Weg ist, eine Seele, die heilen und wachsen möchte, eine Mensch, der glücklich sein möchte - genauso wie du selbst. Vielleicht kannst du deinem Gegenüber so offen und frei wie möglich begegnen, ohne zu verurteilen.
Und pendele in deiner Aufmerksamkeit zwischen der Wahrnehmung deines Inneren und dem offenen Kontakt mit dem anderen Menschen.
Komme dann langsam wieder mehr bei dir selbst an. Schließe deine Augen, atme ein paar Mal tief durch und öffne deine Augen wieder. Wenn du magst, bedanke dich bei deinem Gegenüber für diese Erfahrung."
Variante für dich alleine
Statt mit einem anderen Menschen kannst du diese Übung mit dir selbst, vor einem Spiegel stehend oder sitzend ausführen. Gehe dabei wie oben beschrieben vor. Schaue dir selbst in die Augen statt einem anderen Menschen und nehme wahr, was das in dir auslöst.
Nach dieser schon berührenden Übung kamen wir in einem Kreis zusammen. Es gab eine sehr kurze Vorstellungsrunde. Wir begannen diese Runde mit einer kurzen Wahrnehmungsübung, um bereits mehr die Wahrnehmung der eigenen inneren Prozesse zu sensibilisieren. Und auch, dass es ein Bewusstsein gibt, welches uns ermöglicht, diese inneren Prozesse überhaupt wahrzunehmen - sich also wirklich bewusst darüber zu sein, was gerade in dir geschieht.
Die nächsten beiden Übungen gehen auf Thomas Hübl zurück, ein moderner Mystiker und spiritueller Lehrer.
Wahrnehmungsübung
"Schließe deine Augen. Atme ein paar Mal bewusst in deinem natürlichen Rhythmus.
Nehme jetzt ganz bewusst wahr, was du auf der körperlichen Ebene in dir wahrnimmst. Und wie kannst du das wahrnehmen?
Nehme jetzt wahr, was du auf der mentalen Ebene wahrnimmst. Welche Gedanken hast du? Und wie nimmst du das wahr?
Nehme jetzt wahr, was du auf der emotionalen Ebene wahrnimmst. Welche Gefühle hast du? Und wie nimmst du das wahr?
Und nehme jetzt noch diesen Raum wahr, welche Atmosphäre ist hier, wie nimmst du dich selbst hier wahr, in dieser Gruppe, wie nimmst du die anderen Menschen wahr, wie ist der Grad der Verbundenheit oder der Getrenntheit? Und wieder: Wie nimmst du das wahr?"
Auf diese Weise bereits mehr bei sich, den eigenen Körperempfindungen, den eigenen Gedanken und Gefühlen, ging es direkt in die nächste Übung. Die sehr herausfordernd sein kann, wenn man sie ehrlich und offen durchführt.
Übung: Bewusstes Wahrnehmen und transparentes Teilen der inneren Prozesse
Die TeilnehmerInnen wurden eingeladen, sich jetzt ganz bewusst auf ihre inneren Prozesse auf körperlicher, emotionaler und mentaler Ebene zu konzentrieren und diese Moment für Moment zu teilen. Jede hatte 3 - 4 Minuten. Die Frage war einfach: Wie geht es dir jetzt?
Es ging um ein ehrliches Teilen, von dem was bewusst im Innen wahrgenommen wurde - Moment für Moment und dies direkt auszsprechen und sichtbar zu machen. Dadurch auch bewusst zu erleben, wie sich innerhalb weniger Minuten der innere Zustand wandelt. Diese Übung geht auf Thomas Hübel zurück.
Einige waren ängstlich, aufgeregt, sich so offen zu zeigen, ein paar waren im Vertrauen, die meisten hatten Angst vor dem, was im Workshop, insbesondere in der Nähe, passiert. Und oft wurde aus der anfänglichen Nervosität ein ruhiger werden, nachdem es geteilt, ausgesprochen wurde. Es war berührend für alle, sich offen zu zeigen, mitzuteilen, für jede:n so, wie es in diesem Moment möglich war. Es gibt keinen Leistungsdruck, sondern einen offenen Raum, in dem wahrgenommen und von den Anderen bezeugt wird, was geteilt wird.
Variante für dich
Auch diese Übung kannst du vor einem Spiegel durchführen und laut aussprechen, was Moment für Moment für dich in deinem Inneren wahrnehmbar ist. Du kannst dabei auf der körperlichen Ebene beginnen. Dann deine Gedanken und Gefühle wahrnehmen, indem du den Fokus deiner Achtsamkeit darauf lenkst.
Nach dieser Übung war bereits mehr Vertrauen und Nähe zwischen den TeilnehmerInnen der Gruppe entstanden. Es gäbe dann von mir eine kurze theoretischen Input zum Thema Gefühle, wie sie entstehen, welche Kraft und Aufgaben die verschiedenen Gefühle haben und was die Schattenseiten sind. Darauf möchte an dieser Stelle nicht eingehen. Dazu werde ich noch einen Artikel verfassen.
Übung: Nach-beeltern und gehalten werden (Bonding-Therapie)
Diese Übung ist angelehnt an die Bonding-Therapie (wurde von Dan Casriel in den 60er Jahren in den USA entwickelt), die davon ausgeht, dass wir körperlich-emotionale und psychosoziale Grundbedürfnisse von körperlicher Nähe (Bonding), emotionaler Offenheit und körperlichem Wohlbehagen in uns tragen.
Im Bonding-Prozess wird die „Erfahrung von emotionaler Offenheit", verbunden mit körperlicher Nähe zu einem anderen Menschen, gemacht. Dies kann alte Verletzungen innerhalb der Bindungen zu Eltern, Geschwistern und anderen prägenden Bindungspersonen reaktivieren und dadurch durchgearbeitet, durchgefühlt und geheilt werden. Es kann aber auch zu einem Nach-beeltern führen, einem Aufnehmen und einfach erstmal nur genährt werden von sicherer körperlicher und emotionaler Nähe eines anderen Menschen.
Ablauf der Übung
In der 2. Stunde des Workshops kamen wir zur Hauptübung. Je zwei TeilnehmerInnen fanden sich zusammen, was erstaunlich gut funktionierte. Es entstanden harmonische „Pärchen“. Ich demonstrierte mit einer Teilnehmerin, wie das Halten aussehen kann:
Man kann sich gegenüber sitzen und in die Augen schauen. Oder einfach nur die Hand halten.
Die 3. Variante und von mir empfohlene: Eine Frau sitzt angelehnt an der Wand und die andere Teilnehmerin kuschelt sich so nah an die sitzende Frau, wie es für beide angenehm ist. Wichtig ist, dass beide wirklich in sich reinspüren, wie nah es für sie wirklich stimmig ist. So können beide im Zusammenspiel in eine entspannte Haltung finden. Die meisten fanden eine Position, in der der Kopf im Schoß, auf den Oberschenkeln der Sitzenden zum Ruhen kam. Oder wie ein Kind umarmt und gehalten wurden. Oft wurde der Kopf gestreichelt und gehalten, was dem Unterbewusstsein signalisiert: Du bist sicher, du bist gehalten. Die Übung wird ohne zu sprechen ausgeführt.
Es wurde still im Raum. Jede Teilnehmerin hatte 20 Minuten Zeit, danach wurde gewechselt, so dass jede Teilnehmerin einmal in der Position der Gebenden, Raum Haltenden war und einmal die Empfangende, Gehaltene.
Ich ermutigte die Teilnehmerinnen nach und nach mehr loszulassen, in dem ich ein paar Mal den Satz wiederholte: „Ist es dir möglich, jetzt noch tiefer loszulassen?“
Es war auch für mich sehr berührend, schön, nährend zu spüren, wie sich immer mehr Ruhe, Frieden, Offenheit und weibliche Weichheit im Raum ausbreitete. Die Teilnehmerinnen wurden ruhiger, einige schliefen fast. Es entstand für mich das Gefühl, dass die Teilnehmer es aufnahmen, genährt und gehalten zu werden. Und dies bestätigte sich in der kurzen Abschlussrunde. Die Gesichter der Teilnehmerinnen sprachen für sich. Ein paar Tränen sind auch geflossen, hatten Erlaubnis durch das Loslassen der Menschen. Es war ein runder Workshop, in dem Nähe, Begegnung, Verbindung und Heilung geschehen durften.
Dieser Workshop findet jetzt endlich seine Fortsetzung im Format: "Aus der Einsamkeit zur Verbundenheit" mit zusätzlichen Elementen aus der Integrativen Traumaarbeit. Termine findest du auf meiner Webseite.
Alles Liebe, Ulrike
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